Gibt es in Österreich den Mindestlohn?

In vielen Ländern der Europäischen Union (EU) wird ein gesetzlicher Mindestlohn gezahlt. Er soll Arbeitnehmer davor schützen, für ihre Arbeit unverhältnismäßig schlecht entlohnt zu werden und Schritt für Schritt in die Armutsfalle abzugleiten. In Deutschland beispielsweise liegt der Mindestlohn derzeit bei 12,41 Euro (Stand März 2024). Daraus ergibt sich ein monatliches Bruttogehalt von gut 2.000 Euro. Andere Mitgliedstaaten orientieren sich inzwischen an diesem Modell.

Wie hoch ist der Mindestlohn in Österreich?

Kategorie: Arbeitswelt | Lesedauer: 03 min | veröffentlicht am 05. April 2024
Zielgruppe: Arbeitnehmer und Arbeitgeber
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Österreich hat einen anderen Weg eingeschlagen. Eine branchenübergreifende Mindestlohngrenze gibt es nicht. Gleichwohl erhalten rund 98 Prozent der abhängig Beschäftigten einen festgesetzten Mindestlohn. Dieser ist branchenabhängig und wird über Kollektivverträge und Mindestlohntarife geregelt. Dieser Artikel führt in die Thematik ein.

Wer sich detailliert mit der Problemstellung auseinandersetzen möchte, kann dies unter Linktipp: arbeitsvertrag.org/mindestlohn-oesterreich/ tun.


Was wird unter einem Mindestlohn in Österreich verstanden?

Der Mindestlohn ist das niedrigste gesetzlich festgelegte Entgelt, mit dem Arbeitnehmer für ihre Tätigkeit bezahlt werden. Er wird hierzulande zwischen den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften ausgehandelt. Die Regelungen zum Mindestlohn sind zentraler Bestandteil des Kollektivvertrags (Tarifvertrags). Dieser besteht für die große Mehrheit aller Berufe und wird üblicherweise jährlich neu verhandelt.

Berufssparten, in denen kein Kollektivvertrag vorgesehen ist, kann vom Bundeseinigungsamt ein Mindestlohntarif festgelegt werden. Davon betroffen sind hierzulande etwa zwei Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse. Alle Arbeitgeber sind sowohl den Abmachungen des Kollektivvertrags als auch des Mindestlohntarifs verpflichtet.

Was wird unter einem Kollektivvertrag verstanden?

Bei einem Kollektivvertrag handelt es sich um eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeberseite und Gewerkschaften, die sowohl die Rechte als auch die Pflichten regelt, die aus einem Arbeitsverhältnis hervorgehen. Er umfasst unter anderem die folgenden Aspekte:

  • Geltende Arbeitszeit und Zuschläge für Überstunden.
  • Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtszuschläge.
  • Entgeltzahlungen, Mindestgehälter und Lohnerhöhungen.
  • Gefahrenzulage und sonstige Zuschläge.

Es ist zu beachten, dass jedem Arbeitnehmer immer nur ein Kollektivvertrag zugeordnet werden kann. Überdies dürfen gesonderte Betriebsvereinbarungen und individuelle Arbeitsverträge das Mindestlohnniveau nicht unterschreiten.


Wie hoch ist der jeweilige Mindestlohn in Österreich?

Dabei gilt es zu beachten, dass sich der jeweilige Kollektivvertrag auf die Fachgruppenzugehörigkeit des Unternehmens bezieht, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist. Der eigentliche Berufsabschluss spielt eine untergeordnete Rolle. Dabei muss der gültige Kollektivvertrag für die Belegschaft einsehbar sein. Obendrein wird er im Dienstvertrag oder auf dem Dienstzettel vermerkt.

Der reale Mindestlohn ergibt sich aus der Beschäftigungsgruppe, der der Arbeitnehmer zugeteilt ist, und den absolvierten Dienstjahren. Die konkrete Entlohnung kann aus einer Lohn- und Gehaltstabelle entnommen werden, die in jedem Kollektivvertrag enthalten ist. Der Mindestlohn erhöht sich parallel zu den jährlichen Lohnanpassungen, bei denen der Lohnzuwachs anhand der Produktivitätssteigerung und der aktuellen Inflationsrate ermittelt wird.


Branchen, in denen hohe Mindestlöhne gezahlt werden

In Österreich werden jährlich um die 450 Kollektivverträge neu verhandelt. Den Auftakt machen in jedem Herbst die Unternehmen, die in der Metallbranche tätig sind. Das Ergebnis wird als Gradmesser angesehen. Verlaufen die Verhandlungen für die Arbeitnehmerseite gut, kann auch für die restlichen Branchen eine Erhöhung des Mindestlohns erwartet werden.

Die Metallbranche gilt als Vorreiter aufgrund ihres hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrades und der damit verbundenen Streikmacht. Überdies gestaltet sich der Mindestlohn innerhalb der Metallbranche als besonders üppig. So wurden im Jänner letzten Jahres für ungelernte Arbeiter gut 2.200 Euro brutto Monatsgehalt als Mindestlohn festgelegt. Facharbeitern stehen zwischen 3.300 und 3.600 Euro Mindestlohn zu.


Branchen mit einem niedrigen Mindestlohn

Schlechter schneiden Branchen wie der Handel oder die Sozialwirtschaft ab. Hier beträgt der aktuelle Mindestlohn zwischen 1.800 und 1.900 Euro brutto. Besonders niedrige Mindestlöhne werden in migrantisch geprägten Berufen gezahlt. Erntehelfer beispielsweise erhalten in Vollzeit weniger als 1.600 Euro brutto, was einem Nettolohn von rund 1.300 Euro entspricht.


Welche Entwicklungen sind zu erwarten?

Die Gewerkschaften in Österreich plädieren seit einiger Zeit schon für einen sogenannten "Generalkollektivvertrag". In diesem soll jedem Arbeitnehmer laut Wolfgang Katzian, dem Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), ein Mindestlohn von 2.000 Euro monatlich zugesichert werden. Der Chef der Wirtschaftskammer Österreich, Harald Mahrer, hält dagegen, dass eine zu starke Anhebung des Mindestlohns die hiesige Wirtschaft gefährden wird. Ein Kompromiss ist derzeit nicht in Sicht.

Der Blogbeitrag soll als geschlechtsunabhängig verstanden werden. Zur besseren Lesbarkeit dieses Beitrags wurde für personenbezogene Bezeichnungen die männliche Sprachform angewandt.

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