Equal Pay Day: Die Folgen der Ungleichheit für Frauen und den Arbeitsmarkt
Seit über einer Woche arbeiten Frauen in Österreich „gratis“ - statistisch gesehen. Der Equal Pay Day war in diesem Jahr nämlich der 30. Oktober 2022. Die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern liegt bei 17,7 Prozent. Was hat es damit auf sich? Was sind die Gründe dafür und welche Folgen hat die Ungleichheit – nicht nur für Frauen? Darum geht es in diesem Beitrag.
Auf Anfang: Was ist der Equal Pay Day?
Der Equal Pay Day ist jener Tag, an dem Vollzeit arbeitende Männer bereits das Jahreseinkommen erreicht haben, das Vollzeit arbeitende Frauen im ganzen Jahr bekommen. Statistisch gesehen arbeiten Frauen ab diesem Tag „gratis“. Heuer sind das damit immerhin 62 Tage.
Was ist der Gender Pay Gap?
Der Equal Pay Day macht damit auf den Gender Pay Gap, also den Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern, aufmerksam. Dafür werden die durchschnittlichen Jahresbezüge von vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern gegenübergestellt. 2022 ergibt sich dabei eine Einkommensschere von etwa 17,7 Prozent. Österreich zählt damit zu den Schlusslichtern in Europa.
Durch Unterschiede wie
- Branchen,
- Qualifikation und
- Ausbildung
lässt sich zwar ein Teil dieser Ungleichheit erklären (man spricht dann vom bereinigten Gender Pay Gap, der niedriger ist), aber nicht unbedingt rechtfertigen. Außerdem zeigt auch der unbereinigte Einkommensunterschied von 17,7 Prozent noch nicht das volle Ausmaß der Ungleichheit.
In diesem Modell werden nämlich, wie beschrieben, Einkommen von Vollzeitbeschäftigten gegenübergestellt. Frauen arbeiten allerdings wesentlich häufiger in Teilzeitanstellung als Männer – nämlich fast jede zweite, während es bei den Männern nur etwa jeder neunte ist. Wird Teilzeitbeschäftigung berücksichtigt, verdienen Frauen sogar ganze 36 Prozent weniger.
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Die Teilzeitfalle
In Teilzeitanstellungen arbeiten viele Frauen nicht unbedingt freiwillig. In Österreich übernehmen sie nach wie vor meistens unbezahlte Care-Arbeit wie
- Kinderbetreuung,
- Haushalt und
- Pflege von Angehörigen.
Das zeigt sich auch im Bundesländervergleich:
Der zeigt nämlich einen Zusammenhang zwischen Kinderbetreuungseinrichtungen beziehungsweise deren Öffnungszeiten und der Höhe des Einkommensunterschieds.
Gerade in ländlichen Räumen sind die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungsangeboten nämlich nicht mit einer Vollzeitstelle zu vereinbaren. Deswegen verdienen Frauen in Tirol mehr als 46 Prozent weniger, in Wien sind es „nur“ 18 Prozent.
Weitreichende Folgen für Frauen
Das wirkt sich nicht nur auf das aktuelle Einkommen der Frauen negativ aus.
Frauen bekommen bei Arbeitslosigkeit weniger Unterstützung, da dies vom Einkommen abhängt. Es ist viel schwerer, Vermögen aufzubauen und sie erhalten im Alter viel niedrigere Pensionen.
Diese Lücke ist sogar noch größer als die Lohnschere. Pensionistinnen sind oft armutsgefährdet. 2021 waren 232.000 Menschen über 65 von Armut oder Ausgrenzung betroffen. Davon waren 70 Prozent Frauen.
Frauen werden dadurch auch in Abhängigkeiten getrieben. Darauf macht auch der Equal Pension Day aufmerksam.
Negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Die vielen Teilzeitanstellungen wirken sich nicht nur langfristig negativ auf das Leben der Frauen aus, sondern auch auf den Arbeitsmarkt.
Gerade in Zeiten des sogenannten Fachkräftemangels geht dadurch dringend benötigte, wertvolle Arbeitskraft verloren.
Die Lücke schließen
Seit 2010 hat sich der Equal Pay Day um etwa einen Monat verschoben – vom 29. September auf den 30. Oktober.
Das ist grundsätzlich eine gute Entwicklung. Man muss aber hinzufügen, dass im letzten Jahr ein vermeintlich großer Schritt gemacht wurde, der aber auch auf die Pandemie und die Kurzarbeit zurückzuführen ist. Kurzarbeit hat sich auch negativ auf die ganzjährig vollzeitbeschäftigten Männer ausgewirkt, weshalb sich der Unterschied zusätzlich verringert hat. Die Entwicklung dauert zu lange.
Was braucht es also? Expert:innen fordern:
- Ausbau von kostenlosen Kinderbetreuungsangeboten, die mit Vollzeitarbeit zu vereinbaren sind,
- Einkommenstransparenz in den Unternehmen,
- Strengere Kontrolle des Verbots ungleicher Bezahlung und
- Anreize schaffen, um Care-Arbeit gerechter aufzuteilen.
ZUM BLOGBEITRAG AUF SÜDTIROLERJOBS.IT
WIR FASSEN ZUSAMMEN
Zwar hat sich der Equal Pay Day in den vergangenen Jahren nach hinten verschoben und zeigt damit, dass sich der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern verringert.
Trotzdem ist der Unterschied noch immer zu groß und das Schließen der Lücke dauert zu lange. Besonders, wenn die Teilzeitanstellungen berücksichtigt werden, die allem voran Frauen betreffen. Nach wie vor übernehmen sie den Löwenanteil der unbezahlten Care-Arbeit wie Kinderbetreuung und können schlicht nicht Vollzeit arbeiten. Auch, weil es an entsprechenden Kinderbetreuungsangeboten mangelt.
Die niedrigeren Einkommen, besonders durch die Teilzeitarbeit, wirken sich nicht nur kurz- sondern langfristig auf das Leben der Frauen aus:
Niedrigere Einkommen, niedrigeres Arbeitslosengeld, weniger Vermögen, niedrigere Pension und höhere Abhängigkeit sowie Armutsgefährdung. Außerdem kostet es den Arbeitsmarkt und die Unternehmen wertvolle Arbeitskraft, die gerade in Zeiten des Fachkräftemangels dringend benötigt wird.
Schließen wir die Lücke, profitieren also die Frauen, die immerhin die Hälfte der Gesellschaft ausmachen, aber auch die Unternehmen und die Wirtschaft davon. Was es dafür braucht, ist bereits bekannt.